Wanderfahrt auf Unstrut und Saale

Eine Feststellung vorab: die Fahrt war wie fast alle Unternehmungen der Altherrenschaft des RCGH ein voller Erfolg. Daran konnten auch die teilweise beträchtlichen Anstrengungen, die Hitze, ein einstündiger Regenschauer und die Fußballweltmeisterschaft nichts ändern.

Der Dank der Teilnehmer gilt den "Quartiermachern" Hans Bredemeyer und Horst Knoke und ersterem vor allem auch für die Lösung zahlreicher logistischer Probleme sowie die profihafte Anfertigung des Kartenmaterials. Wenn Steuerleuten gleichwohl gelegentlich Missgeschicke unterlaufen sein sollten, dann lag das nicht an den Vorbereitungen.... Nun aber zum Ablauf im einzelnen:

Bereits donnerstagmorgens, also am 06.07., startete eine Gruppe im Privat-PKW gen Sachsen-Anhalt und Thüringen, um sich einige der zahllosen historischen Sehenswürdigkeiten zu Gemüte zu führen. Es waren dies Hans Bredemeyer, Horst Knoke, Maximilian Meichßner, Klaus Offeney und Wolfgang Wahrenburg. Am Abend des selben Tages verluden andere Ruderkameraden die auserkorenen Boote, und zwar Ratsvierer, Hans Cölle, Stromschnelle und CWE-nte. Unter der Regie von Hans.-H. Siemens verlief dieser Vorgang erstaunlich glatt, vielleicht deshalb, weil wenig über diverse Alternativen (oben, unten, rechts, links, etc.) diskutiert werden musste!

Freitag, 9:00h morgens: die Sonne schien und schon ging es los. Im gewohnten Krüger-Bus saßen wohlgelaunt die Kameraden Asche, Brackhahn, Detmer, Faehndrich, Fleige, Hesse, Ohlendorf und Dietrich Peter, der seit vielen Jahren erstmals wieder dabei war. Am Steuer saß Siemens. Ohne Staus, in sicherer Manier und flottem Tempo ging es über Eschershausen, vorbei an Bad Gandersheim, entlang des Südharzes auf der B243 bis Nordhausen, von dort auf die A38, eine in großen Teilstücken fertiggestellte Verbindungsautobahn von Göttingen nach Halle.

In Allstedt wurde die Autobahn verlassen und weiter ging die Fahrt über kleine und sehr kurvenreiche Straßen durch so bekannte Orte wie Mönchpfiffel und Rossleben (hier setzten wir die Boote bei unserer ersten Unstrut-Fahrt vom 27. bis 29.06 1997 ins Wasser, damals existierte noch die Ruderakademie der Uni Leipzig aus DDR-Zeiten).

Nach gut 3 1/2 Stunden waren wir am ersten Etappenziel: die Schleuse in Wendelstein an der Unstrut. Angesichts eines gefährlich blickenden Wachhundes und drohender Gewitterwolken waren innerhalb eines umzäunten Geländes die Boote abzuladen, aufzuriggern und für den nächsten Tag startklar zu machen. Dabei fiel uns auf - oh Schreck - die Sitzkissen sind weg!! Sie lagen noch im Bootshaus - wohlbehütet! Ein schreckliches Missverständnis. Aber jedes Missverständnis hat natürlich auch Ursachen und damit Schuldige, der Unterzeichner gehört dazu und prompt schreibt er diesen Bericht....... Aber: eine Unterlassung kann auch positive Folgen haben, darüber wird später noch zu berichten sein.

Mit leerem Anhänger und langen Gesichtern ging es weiter gen Freyburg unter anderem über Memleben. Hier wurde Zwischenstation gemacht und am Marktplatz im Gasthaus "Zum Storchennest" gut bürgerlich gegessen und vor allem getrunken. Die Hitze forderte ihren Tribut. Selbige konnte uns aber nicht davon abhalten, entlang der Unstrut über total verdörrte Wiesen zum ehemaligen Benediktinerkloster und zur Ottonischen Königspfalz zu wandern und die gut erhaltenen bzw. restaurierten Arkaden und die Krypta zu bewundern. Hier starben Heinrich I und Otto I. Ein gut bestücktes Museum bot Gelegenheit, Nachhilfe in Geschichte zu nehmen.

Ein ständig drohendes Gewitter kam nicht näher und brachte nicht den dringend von Landwirtschaft und Gartenbesitzern ersehnten Regen. So konnten wir im Freien noch ausgiebig Kaffee trinken. Gegen 18:00h wurde Freyburg erreicht, der Anhänger auf dem Schützenplatz abgestellt und das Hotel "Zum Künstlerkeller" bezogen. Alle Einzelzimmerwünsche wurden erfüllt und die anschließende geballte Inanspruchnahme der Duschen soll hier und da zu Warmwasserengpässen geführt haben.

Das Hotel entpuppte sich als großer Gebäudekomplex, bestehend aus 14 Einheiten, was die Zimmersuche etwas verwirrend gestaltete. Zwei sehr schöne Innenhöfe, ein historischer Gewölbekeller und ein kleines Fassmuseum sowie eine gute Küche machten den Aufenthalt angenehm. Hinzu kam ein guter Hauswein, ein Müller-Thurgau 2005 von der Unstrut, der ebenso süffig wie mit 2,60 € preisgünstig war (das allgemein Niveau liegt bei 4,50 bis 5,50 € pro 0,2 Liter für Wein aus der Region).

Zusammen mit den "Donnerstagfahrern" und später ab 20:30h mit den mit einem weiteren PKW angereisten, noch berufstätigen Kameraden Heinz Bitter, Gerd D. Brüggemann, Bernd Bruns und Johannes Schmidt wurde es ein langer feuchtfröhlicher Abend nach dem Motto "Ruderer haben sich was zu sagen".

Am Samstag beim Frühstück stellte sich zunächst die bange Frage nach einer durchregneten Nacht: wie wird das Wetter? Es war zwar trocken, aber trübe, warm und vor allem schwül. So blieb es dann auch bis nachmittags. Als weitere Frage war zu klären: was machen wir ohne Sitzkissen? Können wir eine Mutation zu Pavianen riskieren? Klaus Offeney war es, der die glänzende Idee hatte und sie gegen einige Widerstände auch umsetzte: Auf seine telefonische Anfrage hatte sich ein Sattler im Nachbarort trotz früher Stunde und Wochenende bereit erklärt, aus alten Schaumgummimatten passende Sitzkisten zu schneiden und zu kleben.

Eine Stunde später konnte auf der Fahrt zu den Booten 18 Doppelkissen für nur 20 € in Empfang genommen werden. Sie stellten sich bei Gebrauch als sehr viel effizienter als die bislang verwendeten heraus. Die früheren rückwärtigen Verfärbungen waren vergessen!

In Empfang genommen werden konnte bei dieser Fahrt auch Lutz Ohrendorf, der urplötzlich einsam am Wegesrand auftauchte und leicht orientierungslos wirkte. Er hatte die Richtung zum Bahnhof verfehlt und wurde an Bord genommen. Einige Kameraden benutzten die Bahn, um zu den Booten zu gelangen. Eine wiederholte Busfahrt wäre zu zeitraubend gewesen. Um 10:30h war es endlich soweit, wir konnten in Wendelstein ablegen, nach dem unser Präsident Brüggemann die Besatzungen wie folgt festgelegt hatte.

  • Hans Cölle
    • Brüggemann
    • Bruns
    • Meichßner
    • Offeney
  • Stromschnelle
    • Brackhahn
    • Ohlendorf
    • Faehndrich
    • Knoke
    • Stm.: Asche
  • Ratsvierer
    • Wahrenburg
    • Fleige
    • Bitter
    • Detmer
    • Peter
  • CWeNte
    • Schmidt
    • Hesse
    • Siemens

Schon nach nur 2,5 Stromkilometern wurde es spannend: die berüchtigte und nicht ungefährliche Brückendurchfahrt in Memleben war zu nehmen. 1997 gab es hier einen bösen Crash. Dieses Mal lief es gut: die Taktik, mit hoher Geschwindigkeit auf den Gefahrenpunkt los und dann "Ruder lang", verhalf allen vier Booten zu einer unfallfreien Passage. Angesichts der beträchtlichen Stromschnellen und der engen Durchfahrt allgemeines Aufatmen.

In gemächlicher Fahrt bei unterschiedlich starker Strömung (manchmal gab es richtig "dickes" Wasser) wurde mit problemloser Schleusung in Nebra nach rund 13 km Reinsdorf erreicht und angelegt. Nach kurzem Fußmarsch unter einer voll erblühten Lindenallee mit entsprechend betörendem Duft wurde in einem Landgasthaus Rast gemacht. Die vorbestellten Gerichte(überwiegend Bratkartoffeln in verschiedenen Varianten) schmeckten ausgezeichnet, der Absatz an nichtalkoholischen Getränken war enorm. Viel Zeit hatten wir aber nicht, mussten doch noch mehr als 22 km bewältigt werden.

Also wieder rein in die Boote mit frischen Kräften und noch gutem Wetter. Die Schleusen von Tröbsdorf und Laucha wurden ohne Wartezeiten passiert. Selbstbedienungen - wie noch vor 9 Jahren notwendig - sind Vergangenheit. Auffällig: das Schleusenpersonal war ausnahmslos recht schwergewichtig, vielleicht zurückzuführen auf eher überschaubare Schleusungsnotwendigkeiten und damit Arbeitsvorgänge!? Das deckte sich im Übrigen auch mit unseren Beobachtungen am ersten Tag: außer einigen Kanus und drei kleinen Motorbooten war nichts zu sehen; andere Ruderboote gab es nicht.

Und dann kam er doch noch: ein leichter Regen, der uns auf den letzten 6 km bis kurz vor das Tagesziel, die Zeddenbachmühle, begleitete. Angesichts der Zurückhaltung von Petrus und der nach wie vor großen Wärme konnte auf das Anziehen von Regenutensilien verzichtet werden. Nach etwas mühseligen Anlegemanövern mit unterschiedlichen Schwierigkeiten bei den einzelnen Booten und notwendigen Dehnübungen ging es per Bus, gesteuert von dem sehr zuverlässig den Landdienst ausübenden Hans Bredemeyer, nach Freyburg zurück.

Nach einigem hin und her - wo sollte zu Abend gegessen werden - taten wir dies wiederum an der vom Vorabend geschätzten Stätte, in der früheren Hofdurchfahrt unseres Hotels. Bei der Einnahme der Plätze war nicht zu übersehen, dass ein bestimmter Platz frei blieb bzw. immer wieder geräumt wurde, obwohl er von grinsenden Ruderfreunden (in solchen Momenten ist die Freundschaft stets besonders ausgeprägt) den später kommenden Kameraden wärmstens empfohlen wurde. Des Rätsels Lösung: just unter diesem Platz hatte sich dem Starkgeruch nach zu urteilen eine Katze verewigt, genauere Recherchen ergaben später, dass es wohl ein Hund gewesen sein musste. Trotz Reinigung hielt sich der Geruch anhaltend, der Platz blieb an diesem Abend unbesetzt.

Das Warten auf das Essen zog sich hin, und dadurch gab es ein Problem. Um 21:00h spielte Deutschland um den dritten Platz bei der Fußball-WM gegen Portugal, viele wollten sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Die Gerichte mussten teilweise unangemessen schnell vereinnahmt werden -. Einige gingen anschließend auf ihre Zimmer zum TV, andere wanderten zum Publish-Viewing ins Schützenhaus und wieder andere verschwanden mit unbekanntem Ziel. Gegen 23:00h folgte ein relativ gemeinsamer Abschiedschluck, um den 3:1 Sieg der deutschen Mannschaft zu würdigen

Der dritte Tag begann pünktlich um 8:00h mit dem wiederum keine Wünsche offenlassenden Frühstücksbuffet. Das Gepäck wurde verladen, und die Mannschaft marschierte bei gutem, recht warmem Wetter zu Fuß zu den etwa 2 km entfernt an der Zeddenbachmühle liegenden Booten. Hier trafen wir auf Notarzt und zwei Polizeibeamte. Diese unerwartete Präsenz galt zum Glück nicht uns sondern einer am Ufer gelagerten Leiche; ein schnelles Abzählen: wir vermissten niemanden.

Der Einstieg in die Boote gestaltete sich ähnlich schwierig wie der Ausstieg, es fehlte nicht an ebenso zahllosen aber genauso unerwünschten Ratschlägen von allen Seiten. Die Nerven waren teilweise doch schon recht angespannt. Zu allen Widrigkeiten stellte sich heraus, dass im Ratsvierer ein Stemmbrett angebrochen und ein Weiterrudern unmöglich war. Guter Rat war jetzt teuer, aber der uralte Erfahrungsschatz und die handwerklichen Fähigkeiten von Justus Fleige reichten zur Schadensbehebung aus. Zügig ging es dann durch die Schleuse an der Mühle und schon nach nur zwei Stromkilometern war erneut zu schleusen und zwar in Freyburg.

Auch aus der Froschperspektive, die nun einmal mit dem Aufenthalt im Ruderboot verbunden ist, boten sich wunderschöne Ausblicke auf die aus dem Jahr 1090 stammende Neuenburg und die angrenzenden Weinhänge. Der sonntägliche Schiffsverkehr auf der Unstrut nahm zu und sorgte für gelegentliche Überraschungen auf dem sehr kurvenreichen Fluss, der nach 190 km nun langsam seinem Ende entgegen strömte. Die Aufmerksamkeit der jeweiligen Steuerleute war in erhöhtem Maß gefragt, insbesondere bei der Begegnung mit dem MS "Reblaus", einem etwas bullig wirkenden kleinen Touristendampfer, der immer breiter wurde.....

Und dann endete die Fahrt auf der Unstrut, bei km 161,8 waren wir plötzlich auf der Saale und passierten nach zwei km die Anleger des Naumburger RV. Der eine oder andere dachte mehr oder weniger still, wie schön wäre es, wenn wir hier - wie 1997 -anlegen und die Fahrt beenden könnten.

Bei nach wie vor gutem aber zunehmend schwülen Wetter ging es weiter durch unbekannte Wegstrecken zur letzten Schleuse in Oeblitz . Üblicherweise machen die Wärter von 12 bis 13:00h Mittagspause. In dieser Zeit läuft nichts. Anders hier: schon 10 Minuten vor Ablauf der üblichen Pause ließ uns die ebenso freundliche wie voluminöse Wärterin passieren und schloss sogleich das Tor.

Und siehe da, CWEnte fehlte, aber dafür war die kräftige aber etwas ungehaltene Stimme von H.H. Siemens nicht zu überhören, der noch um Einlass ersuchte. Die Besatzung hatte im Vertrauen auf Einhaltung der Mittagspause einige andere, offensichtlich sehr notwendige Dinge an Land erledigt. Der Schleusenwärterin sei Dank, das Obertor wurde noch einmal geöffnet, und die RCGH-Flotte war wieder vollständig.

Noch waren 7 km zurückzulegen, mit einigem Ächzen und Stöhnen gelang auch dieses und gegen 14.00h war das Ruderterrain des Weißenfelder RV erreicht. Die Boote wurden geborgen und vor dem beliebten Abriggern wurde im benachbarten Gasthaus auf einer schönen Terrasse oberhalb der Saale das vorbestellte Essen eingenommen. Die von vielen georderten Forellen erschienen in einer bislang wenig bekannten Form: sie waren fast vollständig bedeckt mit einem - bestimmte Assoziationen auslösenden - Spinatbrei!! Sie schmeckten aber besser als sie aussahen.

Der Ruf "Mann über Bord" ließ uns erschreckt auf den auf den Fluss starren. Der Anblick beruhigte, Maximilian badete mit sichtlichem Genuss und Ausdauer, hinterher war er fast nicht mehr in der Lage, seine bestellte Folienkartoffel zu essen.

Es drängte die Zeit, die Boote wurden abgeriggert und verladen - die inzwischen erlangte Routine war manchen dabei hilfreich. Der Beginn des Endspiels rückte näher, kein Problem für die Privatwagenfahrer. Kurz vor 16:00h startete unser Bus, wieder gesteuert von Hans H. Siemens. Es folgte eine rasante Fahrt ohne Behinderungen oder Staus, nur unterbrochen von einer kurzen Trinkpause in einer Tankstelle in Osterode. Dem Fahrer sei an dieser Stelle gedankt für seine souveräne Leistung nach einem harten Rudertag. Kurz nach 20:00h war das Bootshaus erreicht, auf das Abladen wurde verzichtet und der Anhänger in die Halle geschoben. Bei einsetzendem Gewitterregen wurde die abschließende Etappe nach Hause angetreten.

Ereignisreiche und harmonische wenn auch anstrengende Tage waren zu Ende und werden noch lange in Erinnerung bleiben.

Wolfgang Asche


sponsored by